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Serie A, Kammermusik
om94 / Band 4
Johann Philipp Kirnberger (1721–1783)
Trio D-Dur
für Fl, Vl und Bc
Herausgegeben von Ingo Gronefeld
om94
ISMN M-700259-32-7
Partitur und Stimmen (Broschur), 24 Seiten
inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten 14,50 EUR

„Es hat sich nun bestätigt, dass wir in der Nacht zwischen dem 26 und 27sten Jul. dieses Jahrs [1783] unsern Kirnberger verloren haben, und mit ihm zugleich noch manches musikalische Werk, und noch manche Aufklärung musikalisch-theoretischer Wahrheiten.“

Mit diesen Worten leitete Johann Nikolaus Forkel im Jahr 1783 in seinem Musikalischen Almanach einen Nachruf auf Johann Philipp Kirnberger ein. Forkels Formulierungen zeigen, dass J. P. Kirnberger, der einstige Hofmusiker der Schwester Friedrichs II., Prinzessin Anna Amalia, noch am Ende des Jahrhunderts sowohl als Musiker und Komponist als auch als Musiktheoretiker von den Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Bereits 1802, zwanzig Jahre später, hatte sich dieses Bild auch bei Forkel auf jene zwei Aspekte des Schaffens und der Biographie Kirnbergers verengt, die bis heute unser Bild bestimmen: auf den „Theoretiker“ und den „Bach-Schüler“. In Forkels Bach-Biographie heißt es nunmehr: „Er war einer der merkwürdigsten unter Bachs Schülern, voll des nützlichsten Kunsteifers und wahren hohen Kunstsinnes. Außer der Entwicklung der Bachischen Lehrart in der Composition, hat ihm die musikalische Welt auch das erste und einzige haltbare System der Harmonie zu danken, welches er aus seines Lehrers praktischen Werken abstrahiert hat.“ Damit sind zwei wesentliche Gesichtspunkte seines Wirkens benannt, denen jedoch zumindest mit Kirnbergers Tätigkeit als Musikaliensammler bzw. Begründer des musikalischen Teils der Bibliothek der Prinzessin Anna Amalia, als Lehrer sowie – last but not least – auch als Komponist drei weitere hinzuzufügen sind.

Über den Lebensweg dieses „[M]erkwürdigsten unter Bachs Schülern“ geben eine frühe biographische Mitteilung bei Friedrich Wilhelm Marpurg sowie ergänzend eine spätere bei Ernst Ludwig Gerber Auskunft. Demnach wurde Kirnberger am 24. April 1721 in Saalfeld (Thüringen) geboren und erhielt bereits in frühen Jahren Unterricht auf der Violine und dem Cembalo. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Coburg erweiterte er seine musikalischen Kenntnisse bei Johann Peter Kellner in Gräfenroda und in Sondershausen bei dem dortigen Hofmusiker Meil und Heinrich Nicolaus Gerber. Marpurg und E. L. Gerber berichten weiter von einem zweijährigen Aufenthalt Kirnbergers in Leipzig (ab 1739), bei dem er von Bach Unterricht in Klavier und Komposition erhalten habe. Dem stehen allerdings Einträge in Kirnbergers fragmentarisch erhaltenem Stammbuch entgegen, die einen Aufenthalt in Leipzig nur für die Monate Januar und März 1741 belegen. Gesichert hingegen scheint, dass sich Kirnberger ab 1741 für zehn Jahre in wechselnden Anstellungen als Cembalist in Polen aufhielt, bevor er schließlich 1751 nach Deutschland zurückkehrte, über Coburg, Gotha und Dresden nach Berlin kam, wo er zunächst in der Preußischen Hofkapelle als Violinist Auskommen fand. Allerdings ist Kirnbergers Name in keinem Etat der Hofkapelle aus diesen Jahren verzeichnet, der er nach Marpurg von 1752 bis um 1754 angehört haben soll. Zum späteren Ausscheiden aus der Kapelle heißt es, dass er diese „[...] jedoch nunmehr, nach erhaltener allergnädigsten Erlaubniß, mit der Capelle Sr. Königl. Hoheit, des Markgrafen Heinrich, verwechselt hat.“ Somit wirkte er ab 1754 als Cembalist in der Kapelle des Markgrafen Heinrich von Brandenburg-Schwedt (1709-1788), bevor er im Jahr 1758 in ein Amt als Hofmusiker und Lehrer bei der musikbegeisterten Prinzessin Anna Amalia wechselte, das er bis zu seinem Tod 1783 bekleidete.

Vornehmlich dieser letzten, fünfundzwanzigjährigen Arbeits- und Lebensphase entstammen Kirnbergers große theoretische Arbeiten, die bereits zu Lebzeiten umfassend rezipiert wurden und bis heute Gegenstand zahlreicher Studien sind. Hingegen lässt sich Kirnbergers kompositorisches [OElig]uvre – nicht zuletzt auf Grund des Fehlens eines modernen Werk- und Quellenverzeichnisses – bislang nur unzureichend beschreiben. Einzig der Bereich seiner Klaviermusik wurde durch Ruth Engelhardt detailliert erfasst und im Hinblick auf seine Beziehungen zur Kompositionstechnik J. S. Bachs untersucht.

Im Bereich der Triosonaten – unter Einbeziehung der Fassungen für Cembalo obligato und einer Solostimme – gestattet die Überlieferungslage die Eingrenzung eines Werkbestands von zwölf erhaltenen Kompositionen. Unter diesen befindet sich nur eine, die in einer Quelle eine widersprechende Zuschreibung aufweist (Nr. 11). Zwei der Werke wurden von Kirnberger im Jahr 1763 in Berlin bei Birnstiel veröffentlicht [Nr. 5, und Nr. 8 (RISM A/I K 827)]. Trotz der Publikation dieser zwei Trios noch in den frühen sechziger Jahren deuten einige Umstände darauf hin, dass ein nicht geringer Teil der von Kirnberger überlieferten Instrumentalmusik, zu der neben der Klaviermusik und den Triosonaten auch Solosonaten, Sinfonien, Ouverturen und Konzerte zu zählen sind, bereits den vierziger und fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts entstammt – vornehmlich also jenen Jahren, in denen er noch als aktiver Musiker in Hofkapellen wirkte. So berichtet Marpurg 1754 über die von Kirnberger bereits bekannten Werke: „Seine bisherige Compositionen sind einige lateinische Messen, Fugen, Clavierkoncerte, Trios und Solos etc. für die Flöte und Violine.“ Durch die Quellenbefunde kann diese These allerdings nur bedingt gestützt werden, da eine Vielzahl der überlieferten Quellen der Rezeption der sechziger bis achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts in Berlin entstammen.

Äußerlich orientieren sich Kirnbergers Triokompositionen an den Gattungsnormen zeitgenössischen norddeutschen Komponierens, in deutlicher Anlehnung an den durch die Brüder Graun geprägten Stil. Im Detail weisen sie aber eine durchaus eigene Prägung auf, insbesondere durch Kirnbergers Affinität zu einem von ihm auch in seinen Schriften propagierten Ideal eines „gearbeiteten“ bzw. „gelehrten“ Stils. Eine Charakterisierung dieses Ideals enthält der Artikel „Trio“ in J. G. Sulzers Lexikon „Allgemeine Theorie der schönen Künste“, deren Artikel zu musikalischen Themen Kirnberger teilweise erarbeitet hatte: „In den besten Trios dieser Art ist ein sprechender melodischer Saz zum Thema genommen, der wie in der Fuge in den Stimmen abwechselnd, aber mit mehrerer Freyheit, und nur da, wo er von Ausdruk ist, angebracht wird; oder es sind deren zwey oder drey, die oft von entgegengeseztem Ausdruk sind, und gleichsam gegen einander streiten. Singende und jedem Instrument gemäße Begleitung des Thema; freye Nachahmungen; unerwartete und wolklingende Eintritte, indem eine Stimme der andern gleichsam in die Rede fällt; durchgängig ein faßlicher und wolcadenzierter Gesang und Zwischensäze in allen Stimmen, ohne daß eine durch die andere verdunkelt werde; auch wol zur Abwechslung Schwierigkeiten und Passagen von Bedeutung, füllen den übrigen Theil des Stüks aus, und machen das Trio zu einem der angenehmsten Stüke der Cammermusik.“ Kirnberger darf als bedeutender Repräsentant der Ära der „Berliner Klassik“ gelten, an deren Formung er durch seine theoretischen Arbeiten sowie die Publikation eigener und auch fremder Werke wesentlichen Anteil hatte (vgl. dazu auch das Reihenvorwort zu dieser Edition von Chr. Henzel, S. VI). Auch Kirnbergers Kompositionen wurden Teil des Repertoires der Berliner klassischen Musik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, einem Werkkanon, der, wie die Quellenüberlieferung belegt, im Gedächtnis der norddeutschen Musikkultur noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts einen festen Platz beanspruchte.

(Tobias Schwinger)

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